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Service Design Transformation Facilitation Stakeholder Management


Advisory und Workshops zu 
Service-Transformation


Kunde: Mercedes-Benz Used

Ein ausführlicherer Artikel wurde auf der Thoughtworks-Website veröffentlicht:




🎯
Problem


Mercedes-Benz Used (MB Used) ist die Gebrauchtwagensparte von Mercedes-Benz. Um ihre Services rund um die Rücknahme von Wägen, deren Bewertung und Wiederverkauf zu transformieren, wurde Thoughtworks für Beratungstätigkeiten angefragt. Die Organisation sah sich in einem Gordischen Knoten gefangen, in dem sich heterogene Prozesse und Produktcluster gegenseitig blockierten. Auf übergeordneter Ebene sollte nun analysiert werden, wie MB Used sich von einem projektorientierten Unternehmen zu einer Produktorganisation entwickeln und die Spannungen lösen kann. 


👩🏻‍💻 Rolle


Das Team bestand aus einem Transformation Advisor, einem Transformation Manager mit Fokus auf Automotive, zwei Product-Manager*innen und mir als Service Designerin. Zusätzlich wurden wir im erweiterten Team von einer Client Principal und einer Service Design Principal unterstützt.

Meine Verantwortung: Alle Aufgaben, die mit Service Design zusammenhängen, z.B. Konzeption und Durchführung von Workshops. In unserem kleinen Team haben wir jedoch auch unabhängig von den Rollen immer jegliche Aufgaben übernommen, die anstanden.


⚡ Prozess


Überblick
Das Projekt lässt sich in zwei Phasen aufteilen: In der ersten Phase führten wir Interviews durch, mit dem Ziel, die Organisation und ihre Funktionsweise zu verstehen. Als wir bemerkten, dass herkömmliche Workshops oder Meetings keine brauchbaren Interventionen waren, schwenkten wir grundsätzlich um und schlugen einen intensiven zweiwöchigen Workshop in Person vor. In dieser zweiten Phase planten wir diesen Workshop ausgiebig, führten ihn vor Ort durch und bereiteten ihn nach. Im Folgenden gehe ich näher auf die einzelnen Aktivitäten ein.

Initiale Service-Design-Workshops
Aus den Interviews mit Product Cluster Ownern (PCOs) und anderen Führungspersönlichkeiten kam gehäuft hervor, dass Prozesse unklar seien und es keine Single Source of Truth gebe. Währenddessen existierten mehrere Service Blueprints, Prozessdiagramme oder PDFs, die von unterschiedlichen Abteilungen verantwortet sind, verschiedene Ebenen abbilden oder unvollständig sind. Um diese zu vereinheitlichen und zu verstehen, bereitete ich zwei remote Workshops vor, und um lean zu bleiben, erstmal mit einem Produktcluster. 

Whiteboard für den ersten remote Workshop

Darin bildete ich aktuelle Prozessdiagramme auf einem Online-Whiteboard ab. In unseren vorherigen Beobachtungen schien es uns, als würden Prozesse von bestimmten Personen einfach gezeichnet und festgelegt werden. Das Ziel des Workshop war es, ein Bewusstsein dafür zu schaffen, dass Service Design etwas Kollaboratives und Lebendiges sein kann, und man dadurch auch Co-Ownership schafft. Es wurde auch nicht klar, ob es sich um die Prozesse um den Ist-Zustand oder einen hypothetischen Soll-Zustand handelt, sowie wer die Verantwortung oder die Hoheit hat, darüber eine Aussage zu treffen. Mit dem Blueprint soll ein Framework mit an die Hand gegeben werden.

Der erste dieser Workshops verlief positiv. Der zweite, bei dem noch weitere Personen eingeladen wurden, wurde jedoch von Subject Matter Experts (SMEs) dominiert, keine der Teilnehmenden wollte am Whiteboard etwas schreiben, und eine Kollaboration war nicht möglich. Im Nachhinein war das für uns im Team ein Wendepunkt, bei dem klar wurde, dass die Verwirrung und Unklarheit in einem remote Setting nicht geklärt werden konnten, da z.B. stets andere verantwortliche Personen aus anderen Abteilungen fehlten und man dadurch handlungsunfähig war. 


Zweiwöchiger Workshop in Person
Wir legten dem Kunden einen zweiwöchigen, intensiven Workshop in Person ans Herz, mit der Überzeugung, dass ein solches Investment notwendig ist, um radikal gemeinsam an Lösungen zu arbeiten, als Zäsur zu den alten Arbeitsmustern. Hauptsächlich stand das gemeinsame Mappen der Ist-Prozesse inkl. dem Buy-In aller anwesenden Führungspersonen im Vordergrund; neben anderen Aktivitäten, die das Mindset und den Weg zu einer Produktorganisation ebnen sollen. Ich war mit einer anderen Person als Lead Facilitator eingebunden.

Visualisierung, wie eine Farblegende funktionieren könnte

Prozesssegmente und dazugehörige User Stories
Um ein gesamtheitliches Verständnis herzustellen und eine User-Perspektive einzunehmen, wurden die Teilnehmenden gebeten, zunächst “User Stories” für die einzelnen Prozesse zu formulieren. Wir gaben folgendes Format vor:
  • Als... (wer ist hauptsächlich involviert?)
  • möchte ich... (was sind die Haupttätigkeiten im Prozess?)
  • sodass... (was ist das Ergebnis/Ziel, das mit dem Prozess erreicht wird?)
Die Karten wurden als Übersicht genommen und die einheitliche Formulierung schaffte Klarheit.

An die Wände des Büros hingen wir dutzende Meter Papier. Im Vorfeld definierten wir einen einheitlichen Farbcode, mit denen man Stickies unterscheiden kann, z.B. gelb für existierende Prozessschritte, orange für geplante, blau für die verwendeten IT-Systeme und rot für aufkommende Probleme. Für jeden Streckenabschnitt sollte eine verantwortliche Person definiert werden. Die Teilnehmenden wurden dazu aufgerufen, selbst Stickies zu schreiben und an die Wand zu heften, um die Kollaboration zu fördern. Zwischen den Prozessen spannten wir auch Wollfäden, um die Abhängigkeiten und Verbindungen physisch erkennbar zu machen. Wir entwickelten eine Definition of Done und setzten dadurch vergleichbare Kriterien fest. Um dem Workshop mehr Richtung zu geben, definierten wir zuvor “Spielregeln”, an die sich alle Teilnehmenden halten mussten und legten einen konkreten Fokus fest (zum Thema Leasing), mit dem alle als Hauptmission einverstanden waren. 

Folie zum Workshopkonzept

Anhand der Lücken und roten Stickies wurden Probleme aufgedeckt. Als nächsten Schritt baten wir die Teilnehmenden, die Probleme und ihre Dringlichkeit konkret in einer Problemdefinition zu beschreiben. Diese wurden kollektiv gesammelt und methodisch bewertet; sie wurden priorisiert, sodass ein Konsens entstand. Andere Aktivitäten umfassten u.a. Impulsvorträge, Klären von Verantwortlichkeiten mit der RACI-Matrix, und ein Lego-Workshop.


🏔️ Herausforderungen


Ein großer Teil der Anfangsphase des Projektes bestand darin, herauszufinden, was das eigentliche Problem in der Organisation ist. Oft hörten wir, dass es an fehlenden Prozessdiagrammen lag und auch nicht klar war, wer die Prozesshoheit hat, wer Entscheidungen treffen darf, etc. Was uns aber dazu bewegte, einen zweiwöchigen Workshop in Person als notwendig zu empfinden, waren Verhaltensmuster, die vor allem durch historisch gewachsene Strukturen und Belastung, sowie unternehmenspolitischen Themen und hoher Druck (alles ist immer gleichzeitig wichtig) entstanden sind. Diese Lähmung und Verantwortungsdiffusion wären auch mit einem perfekten Blueprint nicht gelöst worden.

Für den Workshop war es klar, dass es um die immersive Vermittlung von Methodik eines kollaborativen Prozesses und Ko-Kreation geht. Wir schufen mit der bewilligten Zeit und gemeinsamen Raum aber auch Platz für persönliche Beziehungen, mehr Austausch und Produktivität. Auch über die Methode und das Framework hinaus lernten alle zusammen, wie man Entscheidungen trifft, Probleme priorisiert und Alignment schafft. 


🏆 Ergebnisse


Foto beim Prozessmapping
Lobendes Feedback von der Retrospektive
Digitalisierung der Prozesswände

Im Anschluss an den Workshop und in einer gemeinsamen Retrospektive erhielten wir phänomenales Feedback. Kunden fühlten sich gestärkt in ihren Rollen und als Team, mit mehr Klarheit über die Prozesse, und einem Verständnis, welche nächsten Schritte Richtung Service-Transformation man gehen kann. Als Deliverable digitalisierten wir die Workshop-Ergebnisse und lieferten einen umfassenden Report mit Handlungsempfehlungen und einer Roadmap. Teile unseres Teams wurden auch für anschließende Beratungsengagements gebucht, da die Zusammenarbeit als derart positiv empfunden wurde.  


💡 Learnings


Für mich war dies das erste Projekt, bei dem es hauptsächlich um Advisory-Tätigkeiten rund um Organisationstransformation und übergeordnete Service-Prozesse ging, losgelöst von den Details von digitalen Produkten. Ehrlicherweise war es herausfordernd, da es sich um eine sehr komplexe Umgebung handelte mit vielen Stakeholdern auf Führungsebene, ihren eigenen Interessen und Erwartungen. Anders als bspw. in Software Delivery, waren viele Momente der Ungewissheit in dem Projekt vorzufinden, in denen man immer wieder neue Strategien austesten muss. Allerdings war das Team fantastisch, da es Erfahrung, Geduld, Kreativität und Zuversicht mitbrachte. Ich lernte nochmal den Wert von persönlichem Kontakt auch zum Kunden kennen, der erst durch die intensiven Workshops zustande kam, und in der großen Gruppe von über 20 Teilnehmenden wuchs zudem meine Facilitation-Fähigkeiten