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UX Design Konzeption Map Informationsarchitektur


Advocacy-Karte für eine alternative Migrationspolitik


Projekt: Moving Cities  
moving-cities.eu



🎯 Problem


Während meiner Zeit bei der Seebrücke erhielt ich die Möglichkeit, bei einem neuen Projekt mitzuwirken: Moving Cities, eine Map, die aufzeigen soll, dass eine alternative Migrationspolitik möglich ist. Die Idee kam aus dem Konsortium From the Sea to the City, das zivilgesellschaftliche Organisationen in Europa vernetzt, und wurde anschließend u.a. von der Seebrücke umgesetzt. Seitdem hat es sich zu einer eigenen Initiative entwickelt.

Warum ist eine solche Karte relevant? Von der Moving Cities Website: “Obwohl sich Städte in der europäischen Migrationsdebatte zu eigenständigen politischen Akteuren entwickelten, gab es bisher keine umfassende und leicht zugängliche Übersicht, die Strategien, Schlüsselfaktoren und Anregungen für Kommunen und die Zivilgesellschaft zusammenträgt.”

Ebenda, zum Ziel des Projekts: “Die Website dient als Instrument für engagierte Kommunen und zivilgesellschaftliche Organisationen, die nach Anregungen und Strategien zur Veränderung ihrer lokalen Migrationspolitik suchen.”

Als ich zum Projekt dazustieß, existierten bereits Entwürfe und Prototypen, welche aber noch nicht zufriedenstellend waren. Mit mir sollte die Website nochmal mit einem konzeptionellen UX-Blick aufgerollt werden. Der Projektzeitraum war fortgeschritten, sodass wir innerhalb von nur drei Monaten live gehen sollten.


👩🏻‍💻 Rolle


Für das Moving-Cities-Projekt agierte ich hauptsächlich als UX-Designerin und Konzepterin. Das Team bestand aus einer Visual Designerin, einem Frontend Developer, einem Redakteur/Contentzuständigen, der Projektkoordination und einer Seebrücke-Stakeholderin.

Meine Verantwortung: Konzeption und inhaltliche Struktur sowie Navigation der Map, Delivery in enger Kollaboration.


⚡ Prozess


Eine von mehreren Personas
Eine von mehreren User Journeys
Verständnis schaffen: Zusätzlich zum existierenden Prototypen gab es bereits Insights und Evaluationen, die in Fokusgruppen gesammelt wurden. Es gab vier Zielgruppen:
  • Stadtregierungen und Stadtverwaltungen (Hauptgruppe)
  • Politiker*innen – kommunal, Bundesebene, europaweit
  • Zivilgesellschaftliche Initiativen
  • Journalist*innen

Für diese Gruppen soll die Moving Cities Map eine Quelle der Inspiration sein, um sich nach progressiven Lösungsansätzen umzuschauen. Städte, die bereits Solidarität bekundet haben, sollen damit arbeiten können; aber auch die, die sich bisher eher weniger mit einer alternative Migrationspolitik auseinandergesetzt haben, sollen aktiviert werden. In den Fokusgruppen wurde der Prototyp diskutiert und einige Insights konnten als Basis für Designentscheidungen genutzt werden. Die Projektkoordination konnte aufgrund ihrer Erfahrung weitere Pain Points aufzeigen und fungierte dadurch als Proxy-User. Obwohl dies sich als sehr hilfreich erwies, ist das natürlich nicht ideal; allerdings konnte weitere User Research aufgrund zeitlicher Limitierungen nicht durchgeführt werden.

Ich stellte viele Fragen, um die Anforderungen zu verstehen, da spezifisch bei einer “Karte” viele Mental Models bestehen, wie sie funktionieren soll und was tatsächlich die Ziele sind. Einige Fragen waren z.B.:
  • Sollen Negativbeispiele gezeigt werden? Wie wirkt sich das auf die Message aus?
  • Von Fokusgruppen und Stakeholder kam der Wunsch nach mehr “Interaktivität” – was wird darunter verstanden? Was wird genau erwartet?
  • Wie sehr beziehen sich die Stadtverwaltungen auf ihr eigenes Land? Wie wichtig ist es, eine Vergleichbarkeit herzustellen? (Bspw. der Gedanke “was in Land A funktioniert, würde nicht für Land B funktionieren”)
  • Gibt es einen Unterschied in der Repräsentation von großen oder kleinen Städten?
  • Was ist der Call-to-Action? Wie endet die User Journey, soll es Möglichkeiten der Einsendung oder Kontaktaufnahme geben? 
  • ...

Mit der Stakeholderin und der Projektkoordination führten wir zudem eine SWOT-Analyse durch, um die Strategie zu verfeinern: Was waren Ziele, Stärken, Schwächen oder Potential des Produkts? Vor allem in Bezug auf andere politische “Kartenprojekte”? Im Kern standen u.a. die Stärke der konkreten Beispiele und Lösungsansätze, die sich Städte abschauen können. Die Inhalte und Daten dazu wurden von verschiedenen Forschenden erhoben und von einem Redakteur zusammengetragen und für die Website editiert. 

Sitemap 
Wireframes für Desktop

Wireframes für Mobile


Content verstehen und Strategie entwickeln: Für die Struktur war es essentiell, die Inhalte zu verstehen, die sich zusammensetzen aus mehreren Komponenten:
  • Liste von Städten, darunter > 600 “solidarische” Städte, sowie ca. 30 “featured” Städte, zu denen es Profile gibt
  • Netzwerke von Städten, darunter welche mit einer Handvoll Städten, andere mit hunderten. Manche sind national, andere europaweit/international
  • Über 70 inspirierende Ansätze, die verschiedenen Kategorien angehören
Deren Zusammenhänge galt es zu verstehen: Sind alle featured Städte in einem Netzwerk? Hat jede Stadt inspirierende Ansätze? Schauen sich die User*innen die Netzwerke und Städte gleichzeitig an? Wir kamen auf eine Formatierung des Contents, um die Lesbarkeit zu erleichtern und Konsumierbarkeit zu erhöhen, z.B. dass jede Stadt eine beschreibende Headline erhält, sowie auf der Detailseite die drei wichtigsten Erkenntnisse hervorgehoben sind. Die Ansätze wurden filterbar nach Tags, um schneller relevante zu finden. Mit der Zeit wurde auch deutlicher, dass neben dem visuellen Wert der Karte eben die darunter liegenden Inhalte leicht zugänglich sein mussten.

Design- und Konzeptentscheidungen: Für die Karte wurden auch einige Entscheidungen getroffen, die die Visual Designerin umgesetzt hat, z.B. um die politische Botschaft zu verstärken, verzichteten wir darauf, auf der Karte Ländergrenzen zu zeigen. Um mehr Verständnis herzustellen, wurde der Content getrennt und es gab drei Hauptbereiche: Solidarische Städte (mit Karte), Netzwerke (mit Karte), sowie Inspirierende Ansätze. Ich kreierte eine Sitemap, um die Verbindungen und Userführung zwischen den Bereichen darzustellen, sowie Wireframes. Aufgrund des Nutzungskontextes in der Verwaltung und Politik wurde die Desktopansicht priorisiert, die mobile Darstellung war sekundär. 


🏔️ Herausforderungen


Es war nicht ideal, mitten im Projekt dazuzukommen, da ich nicht selbst an der User Research teilnehmen konnte und sie evt. anders gestaltet hätte. Ein Produkt, das noch nicht existiert, ist stets mit viel Spekulation und Wünschen verbunden. In den Fokusgruppen gab es viele Vermutungen, inwiefern die User*innen die Karte nutzen würden oder was sie bräuchten. Zum Beispiel, sollte man Aktivitäten und Events inkludieren? Ist ein Livefeed tatsächlich notwendig? Auch die Breite der Zielgruppen machte es manchmal schwer, sich zu fokussieren, wie die Website genutzt werden soll. Wie misst man eine vage Aktivität wie “sich inspirieren lassen”? Eine andere Abwägung war z.B., dass zunächst alle 600 solidarische Städte gezeigt werden sollten, um das schiere Ausmaß zu kommunizieren. Allerdings stieß das auf die Frage, wie verhält es sich mit den 30 featured Städten? Sind alle anklickbar, und falls ja, was sollte passieren? Die Balance zwischen Quantität, aber auch der Verständlichkeit der Karte und Inhalte musste gehalten werden. 


🏆 Ergebnisse


Startseite, um User*innen abzuholen
Übersicht der featured Städte
Übersicht der Netzwerke
Übersicht Inspirierende Ansätze
Stadt-Detailseite

Moving Cities entwickelte sich nach dem Livegang zu einer eigenen Initiative, mit Menschen, die dediziert die Vernetzungsarbeit weitertreiben und die Website-Inhalte redaktionell betreuen. Die Website wurde zum Advocacy-Tool, mit der klaren Message, dass eine alternative Migrationspolitik bereits konkret gelebt wird. 


💡 Learnings


Es war außerordentlich hilfreich, mit einem Redakteur/Editor zusammenzuarbeiten, bei einer Seite, wo die Verständlichkeit der Inhalte ausschlaggebend ist. Außerdem lernte ich, dass alle Features abgewägt werden mussten und nicht alle Wünsche der User*innen umgesetzt werden können. Dabei ist eine Rückbesinnung auf die ursprüngliche Strategie immer hilfreich, sowie eine klare Definition des Scopes. 

Ich bin auch froh, dass die Website innerhalb des Projekts für einige Jahre weitergeführt wurde und somit eine Ressource geblieben ist. Es war klar, dass, auch wenn die Karte ein zufriedenstellendes Produkt ist, alleine ohne die Menschen dahinter sowie die wichtige Advocacy- und Vernetzungsarbeit nichts bewirken kann. Aus einer Service-Perspektive war es definitiv hilfreich, dass mit dem Team dann Ansprechpersonen zur Verfügung standen.